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Jennifer Perez, bekannt als La Nefera macht Musik, in der die Rhythmen ihrer lateinamerikanischen Herkunftskultur mit Hip-Hop und elektronischen Klängen verschmilzt. Neben ihrer Musik engagiert sich La Nefera für ein respektvolles Miteinander, für die Stärkung der Rolle der Frau und als Gründerin von walk-in closet für eine nachhaltigere Modewelt.

walk-in Closet Schweiz ermöglicht Kleidertauschen für alle – Offline an mehr als 25 Standorten in der Schweiz und Online im Tauschshop – und bietet damit wertvolle Alternativen zum konventionellen Kleiderkonsum.

Frau hält einen Stapel Pullover
17.11.2022
Alexandra Adler und Jennifer Perez

Getauschte Kleider im Rampenlicht

Wenn Jennifer Perez als La Nefera auf der Bühne steht, bewegen sich alle Beine im Rhythmus ihrer Energie. Nicht nur mit ihrem Rap mit Latineinflüssen bewegt sie etwas – neben der Musik engagiert sie sich auf vielen Ebenen für ein respektvolles Miteinander – auch für einen bewussten Textilkonsum. Ein Gespräch über den Wert des Teilens und über den Zugang zu nachhaltiger Kleidung.

A.A.: Als La Nefera bewegst du dein Publikum – die Menschen gehen mit dir mit, tanzen zu deiner Musik und hören dir zu, wenn du etwas zu sagen hast. Was bedeutet es für dich, auf der Bühne zu stehen?

J.P.: Ich bin von der Ausbildung aus eigentlich soziokulturelle Animatorin und habe erst nach meinem Studium ernsthaft mit der Musik begonnen. Ich sehe durchaus sehr viele Parallelen zwischen der sozialen Arbeit und der Musik. In der Arbeit mit Jugendlichen genauso wie auf der Bühne möchte ich den Menschen nicht von oben herab begegnen. Ich versuche eher zu inspirieren und die Leute zum Nachdenken anzuregen. Ich setze mich schon lange auf ganz verschiedenen Ebenen für gleiche Rechte für Alle ein – sei es erst bei Viva con Agua, dann auch für kurze Zeit bei be aware and share und dann mit der Gründung von Walk-in closet mit dem Fokus auf Kleiderkonsum und die globale Folgen.

A.A.: Wie ist das denn bei dir persönlich? Was bedeuten dir Kleider und Textilien auf der Bühne? Wie konsumierst du Textilien?

Als Privatperson habe ich meinen Kleidungsstil gefunden. Dort kann ich mich gut auf Kleidung beschränken, die einfach und bequem ist. Ich gehe hauptsächlich in Brockis shoppen und finde dort Second Hand Kleidung, die für mich etwas Besonderes haben. Ich leiste mir eher selten neue Klamotten – das liegt für mich auch finanziell nicht so drin. Die Sachen aus der Brocki sind leider meistens nicht nachhaltig produziert. Es wäre toll, wenn wir künftig nur noch nachhaltig hergestellte Kleider anschaffen und diese miteinander teilen könnten. Das Teilen ist für mich übrigens nicht nur bei Walk-in closet wichtig. Ich teile seit eh und je meine Kleidung mit Familie und im Freundeskreis.

Als Musikerin habe ich länger gebraucht, um meinen Stil zu finden. Ich hab unterschiedliche Sachen ausprobiert z.B. habe ich mal auf Social Media einen Aufruf gemacht, um lokale Schneider*innen zu finden, welche nachhaltig produzieren. Ich habe mir ein paar wenige Sachen Anfertigen lassen, aber das wurde sehr teuer. Grundsätzlich ist das Outfit auch Teil meiner Inszenierung, mit dem ich mich neben der Musik ausdrücken möchte. Durch das Styling für die Bühne, kann ich in die Energie gehen, welche ich für die Performance brauche. Ich würde sehr gerne stilmässig wilder experimentieren, aber gleichzeitig versuche ich mir zu sagen- weniger ist mehr!

La Nefera © Victor Hege

A.A.: walk-in closet organisiert u.a. Tauschbörsen für Kleidung, um durch das Teilen mit anderen die Masse an Kleidern nicht noch weiter zu vergrössern. Wie kamst du zu dieser Idee und wie hat alles angefangen?

J.P.: Ich habe mit Freundinnen zusammengesessen und überlegt, was wir für ein Projekt machen können, mit dem wir Jugendliche bewegen können. Wir haben gedacht, etwas mit Mode wäre super. Wir selbst haben damals viel geshoppt – manchmal waren noch die Preisschilder an den Klamotten im Schrank. Durch die Auseinandersetzung mit der Projektidee wurden uns die problematischen Umständen der Kleiderindustrie, des Modekonsums und Fast Fashion bewusst. Wir wollten dort ansetzen und Bewusstsein für den Überkonsum schaffen. Ich ging in die Einkaufsstrasse in Basel und habe junge Menschen befragt, die aus den Shops kamen, was sie von gebrauchten Kleidungsstücken halten. Es war 2011 – da war Second Hand noch nicht angesagt und Flohmärkte waren auch nicht gerade der Place-to-be für junge Menschen. Die meisten reagierten ziemlich eindeutig: „wäää, ich zieh doch nichts an, was andere schon getragen haben“. Also dachten wir – wir brauchen einen Anlass, wie eine Art Flohmarkt-Tauschbörse, aber eben in cool und hip – mit Djs, Musik, Bar und mit einer Sensibilisierungs- und Upcycling- Station. Herausgekommen ist dann eine Veranstaltung, an der sich 300 Leute drängelten, um ihre eigenen Sachen loszuwerden und Kleider von anderen Personen für sich zu entdecken. Wir waren überrumpelt, überwältigt und begeistert.

A.A.: Wie hat sich walk-in closet dann weiter entwickelt? Und worin siehst du die grossen Herausforderungen für ein Engagement für nachhaltigen Textilkonsum?

Wir haben gemerkt, dass das Interesse an einer Kleider-Tauschbörse sehr gross ist – nicht nur bei jungen Menschen, sondern bei allen Altersgruppen. Es war eine Chance auch Menschen mit weniger Einkommen die Möglichkeit zu geben, nachhaltig Kleider zu finden. Gleichzeitig wollten wir allen deutlich machen, dass wir gar nicht so viel Kleidung brauchen – es braucht so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Deshalb können die Besucher:innen maximal10 Kleidungsstücke pro Person mitbringen und tauschen.
Wir haben den Partizipationsaspekt noch weiter erhöht, indem wir eine Art „How to do walk-in closet“ erstellt haben, mit dem auch andere Vereine, Gruppen oder Personen eine Tauschbörse mit Unterstützung unserer Koordinationsstelle veranstalten können. Heute gibt es über 25 Standorte in der ganzen Schweiz, welche jährlich Veranstaltungen unter Walk-in closet durchführen.
Ein weiterer Punkt, der uns sehr wichtig ist – wir versuchen nicht nur etwas gegen den immer grösser werdenden Kleiderhaufen zu machen, den wir durch Fast-Fashion-Konsum anhäufen – wir wollen uns auch gegen schlechte Lebensbedingungen und Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Wir arbeiten deshalb seit Beginn eng mit Public Eye zusammen. Sie sind an den Anlässen anwesend und bieten niederschwellige Informationen an. Wir haben grössten Teils sehr offene und reflektierte Personen, welche unsere Bestrebungen unterstützen und Ansichten teilen. Leider gibt es aber Personen, welche auch negativ auffallen. Das fiel uns auf, als wir Diskussionen führen mussten für den Unkostenbeitrag, welchen wir beim Eintritt verlangen. Ich finde es schade, dass diese Personen nicht sehen, wie viele materielle und personelle Ressourcen in der Organisation, Werbung und Betreuung der Anlässe durch den Verein stecken. Gemäss der sozialen Nachhaltigkeit sollten wir auch auf lokaler Ebene überlegen, wie wir im Kleinen miteinander umgehen und wie wir ehrenamtliches Engagement und soziale Projekte werten.

A.A.: Was wünscht du dir neben Tauschangeboten wie walk-in closet noch, um nachhaltig konsumieren zu können?

Wissen über das breite Angebot nachhaltiger Produkte und über Alternativen zum übermässisgen Konsum. Das Wichtigste ist, dass das Wissen über Nachhaltigkeit bei allen ankommt – sowohl bei Konsument:innen, Politiker:innen wie auch bei Unternehmer:innen. Einige haben die Energie, die Zeit und den Zugang nicht, um sich vollumfänglich zu informieren. Wir brauchen einen gemeinsamen Fahrplan. Hierbei ist das Interesse und Verständnis für andere Lebensrealitäten und Welten wichtig; miteinander ins Gespräch kommen, die Perspektiven der anderen bedenken und nicht zu schnell verurteilen, Zusammenhänge mitdenken und im Dialog bleiben. So können wir etwas bewegen und ein grosser Teil der Bevölkerung mitreissen.

A.A.: Wenn du in die Zukunft schaust – was wäre für dich ein idealer Umgang mit Textilien?

J.P.: Für mich wäre es ideal, wenn wir das nachhaltige Konsumieren auf allen Ebenen hinbekommen würden. Also wenn wir nicht nur den Textilien ein längeres Leben schenken können, sondern auch von Anfang an Kleidung mit Qualität tragen, die ein längeres Leben auch ermöglichen. Toll wäre es, wenn dies auch öffentlich unterstützt werden würde – so wie auch nachhaltige Energieversorgung subventioniert wird. Ich wünschte mir, dass die Menschen, die so viel privates und berufliches Engagement in nachhaltige Thema stecken, mehr Unterstützung bekommen – sei es beim eigenen Konsum oder bei ihren Projekten, die Zugang zum Thema ermöglichen.

La Nefera und Band © Leon Breiter

Hast du Anregungen oder Kritik? Wie reflektierst du deinen Style und mit welchen Textilien wohnst du? Teile es mit uns mit #reflectyourstyle auf Social Media – Instagram oder Facebook – oder via Mail initiative@sts2030.ch

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