Mode mit Empowerment – was der Fairtrade-Textilstandard bewirkt
Wusstest du, dass die Textilindustrie eine der grössten und am stärksten globalisierten Industrien der Welt ist? Das bedeutet, dass es überaus schwierig ist, Transparenz in die lange und komplexe Lieferkette zu bringen. Die Folge ist, dass so auch heute noch prekäre Arbeitsbedingungen, tiefe Löhne und schädliche ökologische Praktiken bei der Produktion von Textilien und Kleidung vorherrschen. Doch verschiedene Labels und Zertifizierungen, wie der Fairtrade-Textilstandard, setzen genau hier an. Die Stärkung der Rechte der Arbeiter:innen und die Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen stehen dabei im Zentrum von Fairtrade. Wie wird das umgesetzt und was sagen die Arbeiter:innen dazu?
«Mein Leben hat sich durch Fairtrade komplett verändert. Ich bin stolz darauf, dass ich meine Töchter selbst versorgen kann», sagt Sharmilaben Kamli.
Sie arbeitet bei Purecotz Eco Lifestyles, der ersten Fairtrade-zertifizierten Textilfabrik Indiens. Sharmilaben spricht ein Kernelement des Fairtrade-Textilstandards an: existenzsichernde Löhne. Fairtrade ist der einzige Standard, der diese entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorschreibt. Beschäftigte erhalten innerhalb von sechs Jahren einen existenzsichernden Lohn, der deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt und den Familien Investitionen in die Zukunft sowie das Sparen für Notlagen ermöglicht.
Der Fairtrade-Textilstandard geht aber sogar noch weiter. Er verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der neben ökonomischen und sozialen auch ökologische Aspekte berücksichtigt. Wasser-, Abfall- und Chemikalienmanagement werden dabei kontrolliert, um die Umweltauswirkungen der Produktion zu minimieren. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die negativen Folgen der Modeindustrie auf die Umwelt zu reduzieren.
Menschen im Mittelpunkt
«Der Fairtrade-Standard stellt die Menschen in den Mittelpunkt», sagt Lokesh M.S.
Er ist der regionale Manager für die Region Asien/Pazifik bei FLOCERT, der unabhängigen Kontrollorganisation für die Fairtrade-Standards. Angesichts der Tatsache, dass weltweit mehr als 60 Millionen Menschen in der Textilindustrie arbeiten, davon 80-90 Prozent Frauen, ist das von grosser Bedeutung. Überstunden sind geregelt, Unternehmen gewähren ihren Mitarbeitenden bezahlten Urlaub, Mutterschutz und Gesundheitsvorsorge. Besonders wichtig und streng kontrolliert ist das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit.
Die Beschäftigten und Fabriken vor Ort werden dabei zu aktiven Gestaltern des Wandels. Denn der integrative Ansatz von Fairtrade verbindet die klaren Anforderungen mit einem begleitenden Programm. In enger Zusammenarbeit mit den Arbeiter:innen und dem Management werden diese in umfassenden Trainingsmodulen in den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer:innen, existenzsichernde Löhne, Umwelt- und Chemikalienmanagement und Verbesserung von Effizienz sowie Produktivität durch Gewerkschaften, externe Partner und (Fairtrade-)Expert:innen ausgebildet. Die Arbeiter:innen können so selbständig oder als Teil einer bestehenden Gewerkschaft ihre Stellung und ihren Status im Unternehmen festigen und verbessern.
Rückblick: Der Auftakt für den Fairtrade-Textilstandard
Auslöser für das Hinterfragen der Bedingungen in der Textilindustrie war das verheerende Unglück «Rana Plaza». Vor einem Jahrzehnt stürzte in Bangladesch das Textilfabrikgebäude komplett ein. Dabei verloren über 1’100 Menschen ihr Leben und mehr als 2’500 weitere wurden verletzt. Tragischerweise war diese Katastrophe nur die sichtbare Spitze des Eisbergs der Textilindustrie, die über Jahrzehnte hinweg systematisch die Rechte ihrer Arbeiter:innen ausgebeutet hatte.
So führte dieses tragische Ereignis jedoch auch zu einem Wendepunkt und dem Auftakt für den Fairtrade-Textilstandard. Seit seiner Einführung im Jahr 2016 zielt dieser Standard darauf ab, die vielfältigen Herausforderungen des Textilsektors gezielt anzugehen. Dazu zählen insbesondere eine erhöhte Transparenz entlang der langen und komplexen Lieferketten sowie die Stärkung der Rechte der Arbeiter:innen.
Zwei Standards gehen Hand in Hand
In der Textilbranche gibt es zwei unabhängige Fairtrade-Standards: den Fairtrade-Textil- und den Fairtrade-Baumwollstandard. Ersterer verfolgt einen umfassenden Ansatz, der die Lieferkette von der Baumwollentkörnung über das Spinnen, Weben und die Nassveredelung bis zur Konfektionierung des Kleidungsstücks berücksichtigt.
Ist neben dem Fairtrade-Textilstandard auch noch die verarbeitete Baumwolle Fairtrade-zertifiziert, kannst du als Konsument:in sicher sein, dass die gesamte textile Lieferkette Fairtrade zertifiziert ist. Denn der Baumwoll-Standard zielt auch darauf ab, gerechte Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen. In diesem Fall für die Baumwollbäuer:innen.
Fairtrade ist Fairplay
Derzeit sind Fairtrade-Textilprodukte vorwiegend im Segment Corporate Wear und Merchandising verfügbar. Ein Beispiel hierfür ist der VfB Stuttgart, der seit nunmehr zwei Jahren Fairtrade-zertifizierte Textilprodukte für seine Merchandising-Kollektionen einsetzt. Diese Entscheidung sendet ein kraftvolles Signal für den Wandel in der Textilindustrie aus.
Der Fairtrade-Textilstandard steht somit für tatsächliche Veränderung und Ermächtigung. Er setzt sich für gerechtere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und einen respektvollen Umgang mit unserem Planeten ein. Das Label steht für einen bewussten Weg zu einer faireren und nachhaltigeren Welt.
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Achtest du auf Textilstandards? Hast du Kleidung mit dem Fairtrade-Textilstandard oder Fairtrade-Baumwollstandard bereits gekauft? Teile uns deine Erfahrungen auf Social Media #reflectyourstyle oder via Mail initiative@sts2030.ch