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Interview: Zweite Hand ist unsere erste Wahl

Sonja Krummenacher von Walk-in Closet gibt Einblick in ihr Engagement für mehr Nachhaltigkeit

Nachhaltiger Konsum bedeutet keinen Verzicht, sondern neue Entdeckungen, Inspiration und Begegnung. Genau das zeigen die Kleidertauschbörsen von Walk-in Closet. Im Interview mit Sonja Krummenacher erfährst du mehr über die Anfänge, Herausforderungen – und über eine Bewegung, die Kreislaufwirtschaft lebendig, kreativ und gemeinschaftlich gestaltet. Ihre stetig wachsende Community beweist: Textile Kreislaufwirtschaft ist längst mehr als nur eine Idee.

Am 27. September 2025 kannst du mit dabei sein. Gemeinsam mit Walk-in Closet veranstalten wir einen Kleidertausch (kHaus, Basel – 14:00-17:00), der für alle offen und kostenlos ist!

Sonja Krummenacher

Walk-in Closet: Das Modell & das Engagement

Frage: Für alle, die Walk-in Closet noch nicht kennen: Könntest du uns kurz erklären, was euer Konzept so besonders macht und wie ihr die Modebranche revolutioniert?

Walk-in Closet ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für einen nachhaltigeren Umgang mit Mode einsetzt. Seit 2011 organisieren wir gemeinsam mit mittlerweile rund 400 Freiwilligen Kleidertauschbörsen an über 30 Standorten in der ganzen Schweiz. Unser Ziel: Kleidertauschen alltagstauglich, zugänglich und erlebbar zu machen, für alle.

Frage: Was war die ursprüngliche Motivation, dieses Projekt zu starten – und was treibt euch bis heute an?

Unsere Präsidentin Jenny Perez hat Walk-in Closet aus der Überzeugung heraus gegründet, dass Mode Freude machen darf, aber nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt. Uns hat gestört, wie rasant Kleidung produziert, konsumiert und entsorgt wird. Wir wollten eine niederschwellige Alternative schaffen, die Spass macht und zu einem Umdenken anregt. Unsere Tauschbörsen sind daher viel mehr als reine Tauschorte: Sie sind Begegnungsorte mit Musik, Flickecken, Kaffee, Kuchen (je nach Standort) und einer grossartigen Community.

Frage: Was waren eure grössten Herausforderungen – und worauf seid ihr besonders stolz?

Eine Herausforderung ist sicher, dass nachhaltiges Engagement wie unseres häufig unterfinanziert bleibt, obwohl es langfristig viel zur Gesellschaft beiträgt. Umso mehr freuen wir uns über unsere stetig wachsende Community: In den letzten Jahren sind wir schnell gewachsen und mussten oft erst Strukturen schaffen, um mitzuhalten. Dass so viele Menschen das Bedürfnis nach einem bewussteren Umgang mit Kleidung teilen, ist für uns eine grosse Motivation.

Deine Perspektive auf die Kreislaufwirtschaft

Frage: Was bedeutet Kreislaufwirtschaft im Modekontext für dich persönlich? Gibt es Aspekte, die noch zu wenig beachtet werden?

Kreislaufwirtschaft bedeutet für mich, dass Kleidung nicht als Wegwerfprodukt gedacht ist, sondern als Ressource, die im Umlauf bleibt. Im Alltag zeigt sich das, wenn wir Kleidungsstücke länger nutzen, weitergeben, reparieren oder tauschen. Bei unseren Tauschbörsen sehen wir oft neuwertige Stücke, manchmal sogar mit Etikett. Diese Stücke können so zu neuen Lieblingsteilen werden, statt im Müll zu landen. Es geht darum, Bestehendes wertzuschätzen, das ist für mich gelebte Kreislaufwirtschaft.

Frage: Ist eine umfassende textile Kreislaufwirtschaft realistisch? Was braucht es dafür?

Unbedingt. Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie. Damit das gelingt, braucht es politische Rahmenbedingungen, wie etwa eine Lenkungsabgabe auf umweltschädliche Kleidung. Genau dafür setzen wir uns mit der Petition „Stop Fast Fashion“ von Public Eye ein. Gleichzeitig braucht es Alternativen, die Spass machen. Wenn Menschen merken, dass Tauschen Freude macht, Gemeinschaft schafft und den Geldbeutel schont, ist das der beste Beweis, dass Wandel auch Lust machen kann.

Verantwortung von Unternehmen & Design

Frage: Welche Verantwortung tragen Modeunternehmen im Übergang zur Kreislaufwirtschaft?

Modeunternehmen haben eine zentrale Verantwortung und viele nehmen diese bisher leider nur oberflächlich wahr. Greenwashing ist weit verbreitet: Etwa, wenn für zurückgegebene Kleidung Einkaufsgutscheine verteilt werden und das als Nachhaltigkeit verkauft wird. Es braucht Transparenz, echte Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette und den Willen, das Geschäftsmodell zu hinterfragen. Unternehmen wie Patagonia zeigen, dass es auch anders geht. Kleine Labels, die echte Kreislaufmodelle entwickeln, verdienen gezielte Förderung, um im Markt bestehen zu können.

Verantwortung der Konsument:innen & Ermutigung

Frage: Welche einfachen Schritte empfiehlst du Menschen, die nachhaltiger konsumieren möchten, aber noch unsicher sind?

Klein anfangen und ohne Druck. Einfach mal eine Kleidertauschbörse besuchen, neugierig sein, ausprobieren. Ein guter Start kann auch sein, Shopping-Apps zu löschen oder sich von Newslettern abzumelden, die zum Konsum verleiten. Inspiration kann man sich bei nachhaltigen Kanälen holen oder Dokumentationen schauen. Es gibt so viele tolle und kostenlose Inhalte, die wachrütteln, wie zum Beispiel unser Auftritt bei SRF Einstein.

Frage: Wie machen wir Modelle wie Tauschen, Mieten oder Secondhand attraktiver im Alltag?

Es braucht mehr Sichtbarkeit und Zugang. Nachhaltige Angebote müssen auch auf dem Land erreichbar sein, nicht nur in den Städten. Deshalb bauen wir unser Standortnetz überall dort aus, wo engagierte Menschen aktiv werden möchten. Aufklärung und Bildung sind ebenfalls entscheidend, besonders für junge Menschen. Deshalb starten wir jetzt auch Schulworkshops, um Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass Mode nicht teuer oder neu sein muss, um cool zu sein. Diese bieten wir auch Kirchen oder anderen Institutionen in der Jugendarbeit an.

Frage: Deine zentrale Botschaft an alle, die Teil der Veränderung sein möchten?

Nachhaltiger Konsum bedeutet keinen Verzicht, sondern neue Entdeckungen, Inspiration und Begegnung. Wenn wir das gemeinsam leben, ist die textile Kreislaufwirtschaft keine Utopie, sondern eine naheliegende Lösung.

Fazit

Wir danken Sonja für diese wichtigen Einblicke und ihre klare Botschaft: Nachhaltiger Konsum ist alltagstauglich, gemeinschaftlich und macht Freude – mit Initiativen wie Walk-in Closet ist textile Kreislaufwirtschaft keine ferne Vision, sondern gelebte Realität und jede:r kann Teil der Veränderung sein – auch mit kleinen Schritten.

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